These 5: Organisationen brauchen Konsens für Konflikte
Oft ist Anlass für organisationale Veränderung, wenn sich Sub-Systeme, Teams oder Mitarbeiter in Dauerkonflikten festgefahren haben. Dabei ist häufig die implizite Verbesserungsidee den Konflikt in Richtung Konsens zu entwickeln. Selten werden Berater gesucht, die Konsens in Konflikt überführen oder den Nutzen eines bestehenden Konflikts klarer herausarbeiten sollen. Gleichwohl halten wir dies für enorm wichtig.
Diese These zur Veränderung von Organisationen geht davon aus, dass – zum einen – Konsens genauso schädlich (oder hilfreich) sein kann wie Konflikt, und dass – zum anderen – Organisationen nicht wählen können, ob und welche Konflikte sie bearbeiten, sondern nur wo, wann, wie und von wem. Konflikte an der falschen Stelle sind so schädlich wie Konsens an der falschen Stelle. So muss bei jeder misslichen Lage in Organisationen eine Analyse von Konflikt- und Konsensmustern in Organisationen ein hohes Augenmerk zu. Eine Meetingstruktur impliziert immer auch die Entscheidungen, wer mit wem wann worüber in Konflikt gehen soll. Das ist nicht immer so klar. Manchmal wissen Manager auch spontan gar keine Antwort, wenn man sie fragt, wo sie denn die geschäftsnotwendigen Konflikte ausgetragen werden sollen, in anderen Organisationen gibt es genau dafür spezielle Gremien, die sich darum kümmern.
Organisationen sind um Konflikte herum gebaut (siehe mehr hier). Eine Theorie der Veränderung braucht somit ein Verständnis von unabwendbaren organisationalen Konflikten. Konflikte zwischen Polaritäten, die nicht entschieden werden können, ohne Nachteile, Schäden, Verlierer, Verluste zu erzeugen. Organisationen brauchen also Konsens über die Nachteile, die die erstrebten Vorteile mit sich bringen werden. Unser Modell über die wesentliche Konflikte (=Entscheidungszwänge) jeder Organisation ist hier graphisch dargestellt:
Dies sind allesamt „unlösbare“ Konflikte. Und dennoch muss die Organisation entscheiden,
- ob sie mit dem Vertrauten weiter macht oder Neues probiert (mehr dazu hier),
- aktiv sich entscheidet oder wartet, was die Zukunft bringt (mehr dazu hier),
- Regeln befolgt oder die Situation wichtiger nimmt (mehr dazu hier),
- Kompetenzen vernetzt oder entkoppelt (mehr dazu hier),
- sich am Kunden oder an der eigenen Expertise orientiert (mehr dazu hier),
- gründlich oder schnell sein will (mehr dazu hier),
- mit Vertrauen operiert oder kontrolliert (mehr dazu hier),
- wen man an Entscheidungen beteiligt (mehr dazu hier) und
- wen man ausschließt und ob jemand (weiterhin) für eine Stelle passend ist oder nicht mehr (mehr dazu hier).
Egal wie die Organisation das alles organisiert – sie macht sich immer angreifbar und setzt sich Kritik aus, weil man es mit guten Gründen anders machen kann. Daher ist Kritik letztlich das sicherste Merkmal, dass man etwas Wichtiges entschieden hat. Gleichzeitig muss eine Organisation dringend Konsens und Zustimmung zu diesen „Nicht-Entscheidbarkeiten“ finden. Das ist alles andere als leicht, da die Bearbeitung dieser Polaritäten durch Entscheidungen immer auch bestimmte Teile der Organisation zu „Verlierern“ macht. So müssen Organisationen Wege finden, diese strukturellen Konflikte so zu regulieren, dass sie sich nicht sachlich, sozial und zeitlich überlasten (siehe auch hier). Sind solche Strukturen, Prozesse, Ziele, Visionen, Identitäten mal gefunden, besteht (meist zu recht) ein gewisser Widerstand dieser Fässer wieder zu öffnen. Nicht zuletzt deshalb ist die Veränderung von Organisationen mühsam und unwahrscheinlich.
All diese Anforderung an eine solche organisationale Dynamik sind denkerisch nicht zu meistern, wenn die Zielvorstellung im Raum ist, dass Konflikte sich sachlich auflösen lassen, weil es eine richtige Lösung gibt. Konflikte sind nicht nur Probleme, sondern auch Konsequenzen unterschiedlicher Interessenlagen und Beobachtungspositionen. Folglich sind sie das Wahrscheinliche und Konsens das Unwahrscheinliche. Diese Asymmetrie von Konflikt/Konsens hin in Richtung Konflikt ist für die Selbststabilisierung von Organisationen eine permanente Aufgabe und wurde bislang in hohem Maße von Hierarchiewahrgenommen. Hierarchie begrenzt Konflikte, errichtet Kommunikationssperren und trifft Entscheidungen. Konsens kann aber auch von Hierarchie nicht verordnet werden. So braucht eine Organisation mehr und anderes als Hierarchie, um die Konflikte zu bearbeiten, die sich eben durch hierarchische Prozesse nicht lösen lassen. Und eine Organisationstheorie muss Hierarchie wie Heterarchie denkerisch durchdringen, sonst kommt man immer nur wieder zur Ablehnung oder zur Heiligsprechung des einen oder anderen. Nichts davon hilft.
Wenn eine Organisation sich als Mittel versteht, Unlösbares zu bearbeiten und zu regulieren, dann können alle Mitglieder einer Organisation entspannter damit umgehen, dass alles Wichtige ungerade, alles vieldeutig, alles widersprüchlich ist. Und es entsteht mehr Verständnis dafür, dass jeder in einer Organisation von ihr auch bezahlt wird, weil sie oder er jeden Tag neu entscheiden darf, welchen Tod im Hinblick auf unerwünschte Nachteile er heute sterben darf.