Warum viele mit Luhmann sich so schwer tun!
Der Anlass für diesen dreiteiligen Artikel ist ein Posting von Conny Dethloff, in dem er sein Unbehagen mit Luhmanns Systemtheorie ausdrückt und mich um Stellungnahme bittet. Er verweist dabei auf einen Artikel von W. Lutterer, der jedoch m.E. eher ein Paradebeispiel von Missverständnissen und Unterstellungen an Luhmann ist. Statt nun einen Text zu rezensieren, den alle dann erstmal wieder lesen müssten, versuche ich einfach die strittigsten und auch für Organisationen besonders wichtigen Punkte der Systemtheorie Luhmanns herauszugreifen und in meinen Worten zu erläutern.
Meine Auswahl besteht aus folgenden Themen: Teil 1 dreht sich um Kommunikation, System/Umwelt-Unterscheidung. Der 2. Artikel wird dann die Themen Kausalität, Beobachter, Zweiwertigkeit behandeln und der 3. Teil wird Entscheidung, Zeit und Theorie/Praxis in den Fokus nehmen. Meine Absicht ist es, einerseits die Relevanz von hoch abstrakten Denkfiguren darzustellen, und andererseits, die ungünstigen Folgen anzudeuten, die es hat, wenn man den „alteuropäischen“ – so Luhmanns Etikett – Denkfiguren folgt, die bei uns mehrheitlich in Gebrauch sind. Viele Berater und Manager sind Schüler von Aristoteles ohne dies zu wissen oder auch nur zu ahnen.
1. Verständnis von Kommunikation
An diesem Punkt hängt unendlich viel, wenn man verstehen will, wie Mensch und Organisation, genauer psychische und soziale Dynamik, zusammenhängen. Der Unterschied zwischen Kybernetik und sozialen Systemen ist in der Tat der, dass zwischen Computern Daten (manche sagen Informationen) übertragen werden, während, wenn Menschen sich unterhalten, Signale übertragen werden, aber nie Informationen. Es werden keine Datensätze, keine Dokumente von einer „biologischen Festplatte“ auf die andere kopiert. Wenn ich jemandem zuhöre, findet kein Download von dessen Gedanken in mein Hirn statt. Und nur dann würden Informationen übertragen! Diese Einsicht hat Luhmann radikal ernst genommen: Ich höre jemandem zu und ich empfange Signale, die ich selbst(!) zu Informationen verarbeite. Also kann niemand einen anderen verstehen, sondern versteht immer nur sich selbst (= das eigene Verstehen der Mitteilungen des anderen). Das klassische Verständnis von Verständigung ist ein anderes. Es setzt darauf, dass die Informationen beim Sender und Empfänger gleich sein sollen, damit Kommunikation gelingt. Mal ganz abgesehen davon, dass dies weder möglich noch überprüfbar ist, entsteht so ein normativesKonzept. Kommunikation kann dann gelingen und misslingen! Anders Luhmann: Bei ihm findet Kommunikation statt oder nicht. Sie findet statt, wenn der andere an das anknüpft, was der eine ausgesendet hat. Egal wie, nur dass. Daher ist „Missverstehen“ und Streit und Auseinandersetzung genauso Kommunikation wie Einigkeit und Konsens. Die einseitige Bevorzugung von Konsens ist ebenfalls ein Erbe der griechischen Metaphysik. Wie man unschwer erkennen kann, beruht die ständige Neuentstehung von Kommunikation zum Großteil auf Dissens! Ohne das Motiv etwas richtig zu stellen, etwas zu korrigieren, etwas anders zu entscheiden, würden viele Kommunikationen – auch diese hier – gar nicht erst das Licht der Welt erblicken. Luhmann war daher viel damit beschäftigt, wie es bei den unendlichen Möglichkeiten etwas zu verneinen und abzulehnen, es überhaupt zur Annahme und Bejahung der Mitteilungen anderer kommt.
Der für das Verständnis von Organisationen nun besonders wichtige Aspekt dieser Kommunikationstheorie ist, dass Kommunikation so als eigenständiger Prozess verstanden wird, der von keinem der beteiligten Personen kontrolliert oder gesteuert werden kann. Niemand hat Macht darüber, wie er verstanden wird, ja noch nicht mal darüber, was er körpersprachlich mitteilt, während er sachliche Aussagen vorträgt. Kommunikation führt ein Eigenleben. Das ist eine so alltägliche Erfahrung, die jeder kennt, dass ich mich immer wundere, dass gerade dafür Luhmann so kritisiert wurde. Er hatte ja mal geschrieben, dass nur die Kommunikation kommunizieren könne und nicht die Menschen. Das kann jeder feststellen, dem ein Gespräch schon mal aus dem Ruder gelaufen ist, der sich gewundert hat, was aus seinen Aussagen anderswo gemacht wurde oder der versucht hat, mit einem Stein zu kommunizieren. Damit Kommunikation stattfindet, braucht es (mindestens) zwei Personen. Aber diese beiden sprechen oder hören! Sie kommunizieren nicht! Denn die Kommunikation lässt sich weder einem der beiden Personen zuordnen, aber eben auch nicht den beiden zusammen. Auch gemeinsam können sie nicht den Verlauf und die Entwicklung der Kommunikation bestimmen, noch nicht einmal für sich selbst. Wer würde es nicht kennen, dass er aus einem Gespräch herausgeht und zwei Stunden später anders über das Geschehen denkt und fühlt wie am Ende des Gesprächs? Also auch diese Wirkungen lassen sich nicht kontrollieren. Gleichwohl sind die Wahrnehmungen der Menschen unerlässliche Grundlage für Kommunikation. Worüber sollte sonst gesprochen werden? Dies führte Luhmann zu dem oft zitierten Diktum, dass Organisationen nicht wahrnehmen und Menschen nicht kommunizieren können. Deshalb brauchen sie einander.
Die Möglichkeiten die Eigendynamik und die Muster der Kommunikation in Organisationen zu beobachten, zu analysieren, zu beschreiben und zu beeinflussen sind mit einem solchen Verständnis von Kommunikation wesentlich umfassender, als mit einer normativen Theorie, die immer letztlich nur appellierend sagen kann: „Kinder, versteht Euch doch endlich!!“ Mit Luhmanns Verständnis lässt sich untersuchen, wie es kommt, dass die gleiche Pressemitteilung an unterschiedlichen Standorten unterschiedliche Wirkungen erzielt (und das relativ verlässlich…!) Dann kann man Muster und Eigenwerte kommunikativer Prozesse beobachten, auf ihre Funktion hin untersuchen und dementsprechend als Berater Interventionen suchen, um diese Muster und Eigenwerte zu irritieren und in Veränderung zu bringen. Das Wichtige daran ist, dass in dieser Theorie, das Missverstehen so wichtig und notwendig ist, wie die Verständigung.
Ein zentraler Forschungsgegenstand von Luhmann war auf Grund dieser Konzeption zu untersuchen, wie es überhaupt zu stabilen Kommunikationssystemen kommt und die Annahmewahrscheinlichkeit von Mitteilungen verlässlicher wird. Wenn ich den Gebrauchtwagen von Conny Dethloff kaufen will und ihm dafür eine Herde Ziegen anbiete, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, als wenn ich einen Scheck ausstelle. Geld macht also gewisse Kommunikationen wahrscheinlicher. Wenn ich ohne Mitgliedsausweis bei der Otto-Group in Meetings meine Meinung äußere, ist es unwahrscheinlicher dass ich Gehör finde, als wenn ich dort mich Abteilungsleiter nennen kann. Rollen machen in bestimmten Kontexten also die Annahme von Kommunikationsangeboten wahrscheinlicher. Wenn diese Rolle nun mit Einfluss verknüpft ist, dann hat dies ebenfalls Auswirkungen auf Kommunikation. Der strenge Blick des Vorstands wird anders verstanden als der strenge Blick des Kantinenkochs. All dies hängt nicht primär an der jeweiligen Person, sondern eben auch an „Kommunikationsmedien“ – so der Begriff Luhmanns – wie Geld, Macht, Mitgliedschaft etc. Kommunikation also als Leistung oder Aktivität von Menschen zu begreifen, wird der Komplexität des Geschehens nicht gerecht. Das – und nicht Wahrheit – war für Luhmann das Kriterium für gelungene Theoriearbeit: Wie leistungsfähig ist ein theoretisches Konzept und wird es der Komplexität seines Beobachtungsfeldes gerecht?
Daher gehen auch kritische Vorwürfe, Luhmanns Theorie würde den Menschen vergessen oder sei gar inhuman, aus meiner Sicht vollkommen ins Leere. Nur weil ein Biologe sagt, dass die Atemluft kein Bestandteil eines menschlichen Körpers ist, behauptet er doch nicht, dass Atemluft unwichtig oder gar überflüssig sei. Er weißt stattdessen darauf hin, dass für bestimmte biophysiologische Prozesse es Sauerstoff aus der Luft braucht. So weißt Luhmann darauf hin, dass soziale Systeme eine beschreibbare Eigendynamik haben, die sich nicht auf psychische Zustände reduzieren lassen. Aus diesem Grund ist die Trennung zwischen Organisation und Mensch in gar keiner Weise künstlich, wie C.Dethloff es formuliert. (Nebenbei: Die Unterscheidung natürlich/künstlich ist ein auf Aristoteles und seine metaphysischen Setzungen zurückgehender Beobachtungsfokus, der u.a. seine Schöpfungslehre, die keiner heute mehr für richtig hält, voraussetzt). Die Trennung von Organisation und Mensch hilft sehr viel mehr, beiden(!) Dynamiken besser gerecht zu werden. Denn es ist den Menschen nun überhaupt nicht geholfen, wenn Organisationen sich nach dem Menschen richten sollen und diese dies aus angebbaren Gründen weder können und noch wollen dürfen. Wären Organisationen für die Menschen da, könnten sie die Aufgaben, die sie für die Gesellschaft erfüllen, nicht mehr erbringen. Dies führt uns zum zweiten Punkt dieses ersten Teils.
2. Zur Unterscheidung von System und Umwelt
Wenn man sagt, das Menschen doch bitte Teil von Organisationen sein sollen, benutzt man ein 2000 Jahre altes Modell von Teil und Ganzes. Die Vorstellung, dass die Welt eine Ansammlung kleinster Teile (Atome) sei, die im Ganzen von einem Super-Ingenieur am Anfang zusammengesetzt wurde, ist eine der am weitest verbreiteten Narrative. Auch mit diesem hat Luhmann gebrochen. Kein Wunder also, dass es nicht so leicht ist, die Konsequenzen zu überblicken oder diese gut zu finden. Der Mensch bricht nicht gern mit Gewohnheiten. Gebraucht man die Unterscheidung Teil-Ganzes kommt es auf der Handlungsebene zuallermeist darauf an, dass sich die Teile gut oder harmonisch ins Ganze einfügen. Der Mensch als Teil der Schöpfung, so wie der Zylinderkopf als Teil des Autos. An dem kleinen Vergleich mag dann vielleicht schon der eine oder andere Leser aufmerken und ahnen, dass sich in dieser Unterscheidung eine Mechanik des „Zusammenspiels“ von Teilen fürs Ganze versteckt, die man problematisch finden kann. Der Teil muss sich meist dem Ganzen unterordnen und einfügen. Das gefällt dann beim Thema Organisation und Mensch den meisten gar nicht. Da ist es eine naheliegende Lösung – sofern man mit dem Paradigma nicht brechen will – dass man das Unterordnungsverhältnis umdreht und moralisch auflädt: Dann soll sich in dem Fall – Der Mensch als Krone der Schöpfung? – eben das Ganze nach dem Teil richten und so die Organisation für den Menschen dasein. Das Auto dient dann seinen Teilen…! Auch irgendwie komisch, oder? Diese Beispiele sind nur ein kleiner Bereich dessen, was am Ganzes/Teile-Schema problematisch ist. Komplexe Kontexte lassen sich damit ganz sicher nicht verstehen, weil diese Theorieform zu wenig Komplexität reduziert.
Luhmanns Alternative ist die Unterscheidung System/Umwelt, am Ende seiner Theorieentwicklung dann mehr Medium/Form. Es ist nun ganz entscheidend, dass man die Unterscheidung System/Umwelt nicht als räumliche Trennung von Dingen versteht! Genau dies geschieht aber recht häufig und dann ist man neuerlich bei Teilen, die sich diesmal entweder dem System oder der Umwelt zuordnen. Damit ist nichts gewonnen und ein solches (Miss-)Verständnis von Systemtheorie führt zwangsläufig zu Ergebnissen, die falsch, abstrus oder sinnlos sind. Luhmann definiert und nutzt die Unterscheidung sehr anders. Ein System unterscheidet sich von seiner Umwelt, indem es eigene Prozesse von denen in seiner Umwelt unterscheiden kann (=Operative Geschlossenheit). Ein Mensch unterscheidet sich von anderen Menschen, weil er weiß, dass die Gedanken, die ihm kommen, seine sind und nicht die des Kollegen. Geht diese Fähigkeit verloren, dann desintegriert die Psyche und wird psychotisch. Niemand kann im Kopf eines anderen denken oder fühlen. Die Prozesse, Luhmann nennt das Operationen, sind immer Prozesse des Systems. Deshalb kann Luhmann sagen, dass psychische wie soziale Systeme ihre Informationen aus sich selbst gewinnen und nicht aus der Umwelt. Farben entstehen im Kopf, in der Welt gibt es keine. Töne entstehen im Kopf, die Welt ist vollkommen still. Die Unterscheidung von System und Umwelt ist also überhaupt nicht räumlich zu verstehen – dann hat man gedanklich verloren -, sondern prozessural. Es geht darum, ob der Prozess dem System oder der Umwelt zuzurechnen ist! Welches Kommunikationsereignis ist also ein Ereignis der Organisation und welches eins der relevanten oder irrelvanten Umwelten. Der Wechsel von Denken in Dingen, die etwas tun, hin zu Prozessen, die Formen annehmen, ist nun alles andere als leicht. Will man allerdings Veränderung wirklich verstehen, erscheint es fast zwangsläufig, dass man eine Denkform wählt, die sich nicht mit Teilen (=Dingen), sondern mit Prozessen (=Formwandlungen) operiert. Vom Nachdenken über das Wesen von Dingen hin zum Nachdenken über ein Werden von Formen bzw. System/Umwelten.
Was bedeutet dies für den Zusammenhang von Mensch und Organisation? Organisationen sind soziale Systeme, die über Entscheidungen kommunizieren. Man könnte in falscher Terminologie sagen sie „bestehen“ aus Kommunikation. Menschen sind folglich Umwelt der Organisation, weil kein Mensch je ein Kommunikationsereignis sein kann (und hoffentlich auch niemand das sein möchte!). Das heißt nun allerdings nicht, dass die Kommunikation keine Menschen „bräuchte“, um stattzufinden. Das glatte Gegenteil ist der Fall. Luhmann zu unterstellen, er würde den Menschen aus der Organisation löschen oder herausdividieren, ist schlicht Unsinn. Menschen sind in dem oben skizzierten Sinn notwendige und unerlässliche Umwelt eines sozialen Systems. Aber „in“ der Organisation (die räumliche Metapher ist wie gesagt komplett irreführend) findet eben Kommunikation und nicht Menschsein statt. Organisationen haben weder Gefühle, noch Verdauung, noch haben sie Gedanken oder Wahrnehmungen. All das haben Menschen. Organisationen haben aber sehr wohl Muster von Kommunikationen, die bestimmte Entscheidungen wahrscheinlicher machen als andere, die bestimmte Alternativen für Entscheidungen früh ausschließen und andere wiederum begünstigen. Sie prädisponieren bestimmte künftige Entwicklungen und interpretieren bestimmte Aspekte der Vergangenheit. Organisationen stabilisieren sich und schließen damit Bestimmtes aus oder ein.
Es fällt vielen Menschen schwer, zu akzeptieren, dass Organisationen ein Eigenleben haben können, dass es etwas gibt, was sich unserem direkten Zugriff entzieht und was in seiner Eigendynamik an der eigenen Stabilisierung orientiert ist – man kann das auch Selbstorganisation nennen. Organisationen können sich nicht um den Mitarbeiter (welchen genau?) drehen, da sie vielfältige Kommunikationen zu verarbeiten haben: Kunden, Lieferanten, Investoren, Öffentlichkeit, Gesetzgeber, Konkurrenz usf.. Organisationen haben wie Menschen viele relevante Umwelten und können mit diesen Umwelten nicht überleben, wenn sie nicht viele Zwecke und Ziele gleichzeitig und dauerhaft verfolgen. Komplexe Systeme lassen sich nicht auf eine Umwelt – also etwa die Mitglieder der Organisation – ausrichten.
Dies führt uns zu einem weiteren großen Missverständnis der Luhmannschen System/Umwelt-Unterscheidung. Das wird nun etwas abstrakt, aber leichter ist es nicht zu haben: Der Begriff System ist hier sowohl der Ober- wie der Unterbegriff. Systeme bestehen aus System und Umwelt. D.h. der Begriff kommt in sich selbst vor, was in der klassischen aristotelischen Logik ausgeschlossen ist. Wer System als etwas versteht, dass sich von der Umwelt räumlich abgrenzt, missversteht die Systemtheorie. Die „Überlebenseinheit“ ist immer System und Umwelt. Das soziale System „Organisation“ „besteht“ daher aus der Organisation und ihren Umwelten, z.B. auch den Mitgliedern. Wenn also etwas in der Umwelt eines Systems angesiedelt ist, dann ist es nach Luhmann weder weniger bedeutsam, noch „nur“ in der Umwelt, noch weniger wirksam im System. Der Vorteil dieser Denkweise ist aus meiner Sicht, dass sie es einerseits erschwert, einzelne Umwelten eines Systems in den jeweiligen Interessen ungünstig zu verabsolutieren (also auch nicht die Mitarbeiter), als auch andererseits genau zu untersuchen, wie ein System mit den vielfältigen Umwelten und deren z.T. ja vollkommen gegensätzlichen Interessen zurechtkommt. Jeder Mensch kennt das bei jeder x-beliebigen Feier in der er mit der relevanten Umwelten „Körper“, „Geburtstagsgratulantenrunde und „Geburtstagswein“ klar kommen muss und entscheiden muss, was wie reguliert wird: Schlaf, Gespräche oder Genuss. Meist kommt eins zu kurz…
Die System/Umwelt-Unterscheidung bricht also auch mit der Annahme der griechischen Philosophie, dass es möglich sei, so zu entscheiden, dass es nur zu guten Wirkungen kommt. Dies war bei Platon und Aristoteles in der Weisheit des göttlichen Demiurgen begründet, der die Welt so eingerichtet hat, dass wenn man richtig denkt auch richtig handelt. Dieser prästabilisierte Harmoniegedanke taucht in den Diskussionen um Organisation und Mensch ebenfalls immer wieder in neuem Gewande auf. Denkt man statt dessen in der System/Umwelt-Logik kann eine Organisation nicht gleichzeitig eine Mitarbeiter-, Gewinn-, Kunden-, Lieferanten-, Ökobilanzneutrale- und Gemeinwohlorientierte-Organisation sein. Sie muss alle Umwelten bedienen. So hilft potentiell die Systemtheorie allen – der Organisation wie ihren Umwelten – zu erkennen, dass sich nicht alles optimieren lässt und das Überleben einer Organisation vom Berücksichtigen aller Umwelten abhängt. Dies stellt einen radikalen Bruch mit allen Konzepten dar, die auf Rationalität, Gesamtsteuerung, Rezepte und Gewissheiten setzen, wie zu entscheiden sei.
Das führt aus der Sicherheit der aristotelische Metaphysik und der neuzeitlichen Naturwissenschaft in die Unsicherheit des Entscheidens angesichts einer unbekannten Zukunft. Luhmann hat diesen Bruch vorgenommen. Und es braucht verdammt viel Mühe, sich von so alten Traditionen und Denkgewohnheiten zu lösen, wie Luhmann das tut. Das Verständnis von Kausalität, Objektivität und Wahrheit gehört hier ebenfalls dazu. Mein nächster Artikel wird deshalb diese drei Foki verfolgen.
Ein etwas ausführlicherer Text von mir zur Thematik metaphysischer Denkfiguren lässt sich hier downloaden. Dort finden sich auch Literaturangaben.