Klaus Eidenschink
Appelle
„Du solltest mal Dein Zimmer aufräumen!“ Jede, jeder die/der Kinder hat oder hatte, weiß wie wirkungslos Appelle sind. Imgrunde sind sie der Gipfel kommunikativer Wirkungslosigkeit. Nicht zu überbieten.
Schaut man sich in den Medien – auch hier – um, ist man innerhalb kürzester Zeit von Appellen umzingelt. „Wir sollten…!“ wohin man liest. Um es vorweg zu nehmen – ich habe mir ein Herz gefasst und verfasse hier nun auch einen Appell: Nämlich den, auf Appelle zu verzichten und statt dessen, den Nutzen zu reflektieren, den sie für den Appellierenden selbst haben.
Zunächst aber noch zu Wirkunglosigkeit. Appelle richten sich an die Vernunft: „Sieh doch (endlich) ein!“ Damit sind schon mehrere Implikate gesetzt. Erstens geht man davon aus, dass Vernunft unvernünftiges Verhalten ändern kann. Zweitens, dass die Angesprochenen vernünftig werden wollen und drittens dass sie das, was der andere will, selbst für vernünftig halten. Alle drei Punkte halte ich für gewagt. Verhalten, das schädlich für sich oder andere ist, ist nie vernünftig motiviert, sondern hat unbewusste Motive, die sich nicht durch Vorsätze (lang) in Schach halten lassen. Menschen, wollen zudem nicht vernünftig sein. Das ist kein Bedürfnis der Psyche, sondern eher ein Selbstbeherrschungsversuch. Schussendlich ist das, was vernünftig und unvernünftig ist, schon immer höchst strittig. Vernunft ist gibt es nur als Vernünfte – also in der Mehrzahl!
Daher bedeutet Appellieren eigentlich: „Bitte nehmt meine Form der Vernunft an, egal was ihr selbst für Bedürfnisse, unbewusste Motive habt und selbst für richtig haltet!“ Damit wird der Appell als Machtanspruch demaskiert. Dagegen ist nichts zu sagen. Er ist nur wirkungslos. So gesehen wäre es – nun kommt mein Appell – günstiger, den Machtanspruch offen zu machen: „Räum Dein Zimmer auf, weil ich das will!“ Das geht als Eltern oder vielleicht noch als Bundeskanzler (?), aber nicht auf Linkedin oder in den Massenmedien.
Warum also die vielen Appelle? Meine Vermutung ist, dass es meist zwei Wirkungen für den Appellierenden selbst hat. Man kann etwas tun. Sie mildern also Ohnmachtsgefühle. Zweitens ordnet man sich selbst auf der Seite der Vernunft ein, reduziert also Schuld, Scham oder Wut.
Nicht schlecht. Vielleicht sollte(!) man auf ein Tag einführen, an dem jeder 10 Appelle frei hat, um es dann an allen anderen Tagen lassen zu können. Aber ich weiß, wie mein Appell ausgeht. Es bleibt alles, wie es ist.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.