These 10: Vertrauen braucht es dort, wo Anlass für Misstrauen ist.
Wenn man Grund hat zu vertrauen, braucht man es nicht. Vertrauen braucht es dann, wenn man enttäuscht werden kann oder auch schon enttäuscht wurde. Damit ist es riskant – immer.
Welche Bedeutung hat das für Veränderung von Organisationen?
In Organisationen wie in Teams bilden sich meist sehr stabile Muster von Vertrauen und Mißtrauen. Kein Wunder, denn Vertrauen hat in Kommunikationssystemen eine asymmetrische Form.
- Es braucht normalerweise (viel) Zeit, dass sich Vertrauen bildet und nur einen Moment, um es zu zerstören.
- Vertrauen ist sehr viel leistungsfähiger als Mißtrauen im der Bewältigung von Komplexität. Mißtrauen – in Handlung umgesetzt – bedeutet Kontrolle und diese (ver)braucht Zeit. Controller wissen das.
- Vertrauen ist riskant, Mißtrauen ist sicher. Wer mißtraut, wird selten enttäuscht, da Mißtrauen sich zu allermeist selbst rechtfertigt, indem es andere dazu provoziert, der Kontrolle zu entkommen. Vertrauen dagegen ist ein „riskante Vorleistung“ (wie Luhmann das nennt). Vertrauen ist also dann nötig, wenn man Anlass zum Mißtrauen hat. Wenn man weiß, dass man vertrauen kann, dann braucht man kein Vertrauen. Wozu?
Soll in einer Organisation nun etwas verändert werden, verändert man immer auch vorhandene Vertrauensmuster. Sie werden dabei meist in Teilen auch beeinträchtigt oder zerstört. Das destabilisiert die Organisation und erschwert die Kommunikation: „Wen muss ich nun fragen?“, „Von wem bekomme ich ehrliche Antworten?“, „Vor wem muss ich mich in acht nehmen?“, „Mit wem kann ich offen sprechen?“, „Kann ich mich auf die Daten verlassen?“
Solche und viele andere Fragen müssen bei Veränderungen, die neue Arbeitsbeziehungen, neue Arbeitsweisen und Arbeitsstrukturen mit sich bringen, geklärt werden. Diese Klärung nimmt meist (siehe Punkt 1 oben) einige Zeit in Anspruch. Altes bestehendes Vertrauen wird nicht unbedingt auf die neue Rollen übertragen, auch wenn es die gleichen Personen sind. Und geklärte Feind-/Misstrauensbeziehungen können in neue Strukturen nicht so ohne weiteres übernommen werden. Neue Konfliktlinien, auf denen Misstrauen bearbeitet wird, entstehen. Organisationale Veränderung muss also auf Risikobereitschaft der Mitglieder und deren Einverstanden-Sein mit den (Vertrauens-)Verlusten setzen, die es auf der sozialen Ebene geben wird. Weil dieser Verlust immer sicher ist und der Gewinn neuen Vertrauens immer unklar ist, werden Veränderungen im Vertrauens-/Misstrauensmuster eher ungern gesehen. Wie aber Mitarbeiter unterstützt werden können, schneller und angstärmer das Risiko von neuem Vertrauensvorschuss einzugehen, wird meiner Beobachtung nach oft vernachlässigt bzw. kommt gar nicht in den Blick. Es wird schlicht vorausgesetzt, dass das passiert. Dabei ist rein biologisch – wir Menschen sind Beutetiere! – das Aufgeben von Mißtrauen eine echte Leistung und eben im Stammhirn immer mit Angstimpulsen verbunden. Angsttoleranz wird also als psychische Leistung der Mitarbeiter zur Schlüsselkompetenz!
Dazu kommt: Das existierende Vertrauen in Strukturen und Prozesse wird bei Change ebenfalls ins Wackeln gebracht. „Kann ich mich auf die Einhaltung der neuen Regeln verlassen?“; „Ist der neue Beförderungsprozess transparent?“ Es ist nicht zu unterschätzen, wie wichtig es in Organisationen ist, dass Regeln, Prüfverfahren, Entscheidungsprozesse etc. Glaubwürdigkeit besitzen, da so die Notwendigkeit von persönlichem Vertrauen gemildert wird. Luhmann nannte das „Vertrauen in Systeme„. Auch dieses Vertrauen muss sich erst bilden und kann nicht verordnet werden. Ängste verweigern sich Anordnungen. „Du musst keine Angst haben!“ ist sicher einer der dümmsten Sätze, den man anderen Menschen sagen kann. Denn ein solcher Satz ist 1. die Zuschreibung, dass der andere falsche Gefühle hat, 2. lässt man ihn mit dieser Aussage allein und 3. ändert der Satz nichts an der Angst. Im Gegenteil – sie nimmt zu.
Fazit: Organisationen können sich unter Wettbewerbsbedingungen nur punktuell Mißtrauen und Kontrolle leisten, sonst verbrauchen sie intern zu viel an Kapazität. Bei Changevorhaben steigert man allerdings den Angstlevel und damit auch die Versuchung zur Absicherung über Misstrauen. Darum ist die Aufmerksamkeit auf und die Kommunikation über vertrauens- und misstrauensrelevante Geschehnisse einer der Foki, die eine zentrale Stellung in Change Projekten haben sollten.
Mehr zur gesamten Thematik findet sich hier.
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