Klaus Eidenschink
Dauerunglück in Beziehungen (Teil III):
„Ich krieg Dich schon noch hin!“ gepaart mit „Ich tue doch mein Bestes!“
Was Paare ungünstig zusammenbringt und zusammenhält
(Hier die Links zum Teil 1 und Teil 2)
Im dritten Teil der Paar-Serie geht es um Beziehungen, in denen die eine (meist die Frau) den anderen (meist den Mann) ein Leben lang erzieht. Der Mann lässt sich das interessanterweise gefallen und beeindruckt im öffentlichen Raum durch ein enorm „dickes Fell“ bei Zurechtweisungen, Korrekturen, Beschämungen und Ermahnungen. Woher kommt dieser Ehrgeiz der Frau, die strenge Pädagogin des Mannes zu sein und woher die Neigung von den Männern, dies so lange und so konsequent zu ertragen? Dazu nehme ich neuerlich die schon gewohnten drei Perspektiven ein.
(Und erneut der Hinweis: Ich schildere die Muster als Stereotypen. Das hilft sich leichter darin wieder zu finden – wenn man das möchte. Und es hilft es als zu pauschal abzutun – wenn man das möchte. So lässt sich als Leser leichter wählen, ob man sich vom Text ansprechen lässt oder eben nicht.)
Perspektive 1: Beziehung durch Erziehung
Das Paar wirkt aufeinander eingeschwungen: Freundlicher, kompetenter Mann und resolute, energische Frau. Sie entscheidet, er lässt sie gewähren.
So wird in Gesellschaft allen schnell klar, wer „die Hosen anhat“: Sie! Sie lässt ihn gewähren – wenn sie will! Sie setzt Grenzen – wenn er es übertreibt. Sie macht subtil deutlich, wenn ihr etwas missfällt. Sie korrigiert seine Beiträge in geselliger Runde, wenn er etwas „falsch“ erzählt. Sie deckt seine Schwächen auf und stellt ihn milde oder deutlich bloß. Auch vor den Kindern. Sie lässt ihn Vorschläge machen, um sie dann zu korrigieren. Sie zupft seine Krawatte zurecht und leidet, wenn er mal wieder seine Manieren vergisst.
Er ist bemüht, es ihr recht zu machen. Oft scheitert er. Er rechnet mit seinem Scheitern. Er macht gute Miene zum Spiel. Seine Gutmütigkeit imponiert anderen und er erntet Mitgefühl. Das bringt sie innerlich zu Weißglut. Meist denkt er nicht im Traum daran, sich zu ändern. Er lässt ihr den Part, sich als Herrin aufzuspielen. Er ist vordergründig konziliant und macht hintergründig, was er will. Er hat immer Heimlichkeiten. Er tut Dinge, von denen sie nichts weiß. Sie ahnt, dass sie auf verlorenem Posten steht. „Wie oft habe ich Dir schon gesagt…!“ Er ist einsichtig und konstruktiv, wie immer. Er flüchtet sich in Nischen.
Als Elternpaar funktioniert man meist recht gut. Die Frau erzieht die Kinder, der Mann unterstützt erzieherische Maßnahmen, wenn er da ist und wenn sie ihn dazu auffordert.
Alles bleibt, wie es ist. Sie wird immer bissiger, immer schärfer in ihren Anschuldigungen, immer härter in ihren Bestrafungen. Lust auf ihn hat sie schon lange nicht mehr. Sie fühlt sich eher als Neutrum. Sie träumt davon, dass er sie mal richtig „nimmt“. Er sucht sich lieber eine Geliebte: Endlich mal eine Frau, die nett zu ihm ist. Die sich (mit ihm) über die „Bissgurke“ zu Hause aufregt, unter der er zu leiden hat. Bekommt sie davon Kenntnis, dass eine andere das bekommt, was ihr schon lange vorenthalten wird, quillt sie über vor Zorn. Sie verachtet ihn für seinen „Verrat“ und weidet sich an seinen Schuldgefühlen. Er will es wieder gut machen, sie lässt ihn abblitzen. Aber er wehrt sich nicht, sondern zieht sich noch weiter innerlich oder äußerlich zurück.
So oder so ähnlich geht die Beziehung ihren Gang. Die Hoffnung schwindet, dass er so wird, wie sie ihn haben will. und dass es ihm gelingt, so zu werden, dass sie zufrieden ist. Beide finden sich damit ab. Sie nörgelt, er lässt sie nörgeln. Keiner fühlt sich wohl, aber so ist es halt in einer Ehe. Oder er verlässt sie.
Perspektive 2: Die Frau „Ich krieg Dich schon noch hin!“
Erziehungsversuche, die einem Erwachsenen gelten, sind ein Symptom von fehlendem Kontakt. Wie kommt es, dass die Frau den Mann zum (missratenen) Sohn macht? Es ist fast immer so, dass dies das verinnerlichte Rollenmodell ist. Schon der eigene Papa war entweder unter der Kuratel der Mutter, oder er war jemand, vor dem man sich fürchten musste. So konnte man als Kind keinen Respekt vor ihm haben, da man entweder Mitleid mit oder Angst vor ihm hatte. Das Muster der Mutter verinnerlicht die Tochter als weibliches Rollenmodell: „Als Frau ist man letztlich auf sich allein gestellt! Das Beste, was man von einem Mann erwarten kann, ist, dass er nichts Schlimmes tut und einem folgt.“
So ist es naheliegend, dass die Frau im Zusammensein mit Männern die Kontrolle sucht. Dann kann man sie in Schach halten und sie bleiben ungefährlich. So wie der Teddy zum Schmusen, der kein Eigenleben führt. Männer müssen dressiert werden, damit man emotional sicher sein kann. Das Tragische daran ist, dass ein solches – meist vollkommen unbewusstes – Männerbild, nicht mit Respekt vor dem Mann zusammenpasst. Man will die Kontrolle und verachtet den Kontrollierten.
So bleibt die Frau als Frau allein, weil sie echte Intimität auf Augenhöhe zwischen den Eltern nie erleben konnte und sich mit der einsamen Mutter identifiziert. Das soll ihr nicht passieren. So wählt sie einen Mann der sich fürs Dressieren eignet und merkt nicht, dass sie damit dessen Verblassen und ihre Einsamkeit vervollkommnet.
Perspektive 3: Der Mann „Ich tue doch mein Bestes!“
Söhne werden immer noch weitgehend von Frauen erzogen. Die erste „Führungskraft“ eines Mannes ist auf der emotionalen(!) Ebene meist die Mutter. So versuchen viele Frauen (unbewusst), ihren Sohn zu dem Mann zu erziehen, den sie selbst gerne hätten haben wollten. Damit aber ist eine invasive Beziehungsdynamik zwischen Mutter und Sohn etabliert. Er wird Erziehungsobjekt als künftiger Mann! Hat man nun als Sohn eine solche Mutter, muss man lernen, wie man sich ihr entziehen kann, ohne dass es ihr auffällt und ohne dass die Mutter zu sehr leidet. Beides zusammen zu bringen, ist mehr als anspruchsvoll. So wird der Sohn von klein auf immer besser darin, keine Schuldgefühle zu bekommen, wenn man die Mutter enttäuscht. Man ist verständig, macht aber dann heimlich sein Ding, wenn man merkt, dass die Mutter sich in Sicherheit wiegt. Insbesondere lernt man, seine Aggression ihr gegenüber zu zügeln. Rückzug statt Angriff.
Ein sanfter Mann ist ein guter Mann.
In der Pubertät macht er dann schnell die Erfahrung, dass dies eine enorme Anziehungskraft auf manche Mädchen ausübt. Man ist nicht der Leader of the Gang, sondern der Frauenversteher. In der Rolle wird man auserkoren, weil man als ungefährlich eingeschätzt wird. Das bestärkt die gewählte Strategie. Frauen, die (emotionale) Eigenständigkeit schätzen könnten, lernt man erst gar nicht kennen. Kumpelbeziehungen, die von Beginn an nicht auf Frau-Mann, sondern auf gemeinsam Spaß haben und Sachen machen beruhen, sind so das Mittel der Wahl.
Beziehungen dieser Art kommen oft erst spät in die Krise. Dann, wenn die Kinder erwachsen sind und das Paar auf sich selbst verwiesen ist. Oft ist das Umfeld überrascht: „Was, die trennen sich jetzt auch?“. Meist ist es der Mann, der geht.
Was tun?
Auch in diesem Unglücksmuster ist der Nutzen für beide Seiten sichtbar. Die Frau erringt die Machtposition, die ihre Ängste und ihr Allein-Sein vordergründig mildern, der Mann hat ständig gute Gründe für das innere und äußere Flüchten aus der Beziehung – in den Beruf, in Hobbies, Affären, in politische und soziale Ämter etc. in denen er oft erfolgreich und gut ist.
Um Veränderung zu ermöglichen, ist es nötig, dass die Frau entdeckt, dass man Männern vertrauen kann und dass man sie achten möchte. Um solche Impulse in sich aufkommen zu lassen, ist es meist unabdingbar, sich von dem verinnerlichten Rollenmodell zu verabschieden. Das geht allerdings nur, wenn die Frau sich eingestehen kann, wie quälend die eigene Mutter war und wie sehr sie dies übernommen hat. Gleichzeitig wird dann deutlich, wie sehr der eigene Vater eine Leerstelle als Mann hinterlassen hat und wie allein sie als angehende Frau mit ihm war. Sich spüren zu lassen, wie wenig Resonanz sie bekommen hat, ist nie einfach. Sich als Frau einem Mann ganz anzuvertrauen, loszulassen, sich in guten Händen zu fühlen, klein sein zu dürfen und gleichzeitig sicher zu werden, dass dies nicht ausgenutzt wird oder man verlassen wird – diese Elemente enthält der Weg zur eigenen Beziehungsfähigkeit.
Der Weg des Mannes ist nicht leichter. In ein Leben zu finden, in dem es keine „Herrin“ gibt, der man sich entziehen muss, setzt voraus, sich mit so grundlegenden und unangenehmen Gefühlen wie Ekel und Ohnmacht auseinanderzusetzen. Die Stärke und die Kraft, sich im Kontakt zu behaupten und nicht einfach zu gehen, werden erst zugänglich, wenn man sich einen sicheren Beziehungsort – also Psychotherapie – sucht. Man muss die Erfahrung machen, dass man sich öffnen kann ohne dass man vom anderen zwangs-„gefüttert“ wird. Wenn man erlebt, wie es sich anfühlt, ein absichtsloses Gegenüber zu haben, beginnen sich alte Wunden zu schließen. Dann entsteht auch die Fähigkeit einen eigenen Willen zu haben, ohne in die Angst zu kommen, damit andere zu verletzen oder zu verlieren.
Am Ende sind sich die beiden in ihrer Not also recht ähnlich. Es geht um die Unfähigkeit loszulassen. Im Miteinander zu entspannen, nichts von einander zu wollen und dadurch dem anderen viel geben zu können – diese Grunderfahrungen einer wohltuenden Beziehung gelingen Menschen dann, wenn sie im Miteinander aufhören, den anderen verändern zu wollen bzw. sich den Manipulationsversuchen des anderen zu entziehen.
Das zu lernen geht – am besten zu Zweit.
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