Sozialdimension von Sinn
Bei jedem ausgewählten Fokus, bei jeder getroffenen Aussage, bei jedem wahrgenommenen Ereignis lässt sich die Frage stellen: Teilen andere (Personen, Teams, Abteilungen etc.) die Auffassung der Situation oder erleben, deuten, handeln sie anders? Wenn jedes System anderes selektiert, eine andere Geschichte hat, andere Erwartungen an die Zukunft hat, dann ist mindestens ebenso mit Unterschieden zu rechnen als mit Übereinstimmung! Konsens versus Dissens ist die prägende Unterscheidung des Sozialen. Wären sich alle rein durch eine identische Wahrnehmung und Interpretation einer Situation einig, bräuchte es überhaupt keine Kommunikation! Worüber? „Hast Du den Vogel gesehen?“, „Ja!“. Nur weil nicht sicher ist, dass der andere ihn wahrgenommen hat, ist eine solche Frage sinnvoll.
Somit ist die Erfahrung von Dissens und die Notwendigkeit Gemeinsamkeiten herzustellen (=Konsens) ein Phänomen, dem Sinn-Systeme nicht ausweichen können. Es gibt immer jemand, der „es“ auch anders sieht oder sehen könnte (auch man selbst zu einem anderen Zeitpunkt!). Soziales Leben muss diese Dissens-Möglichkeiten reduzieren und begrenzen, da sich sonst weder Erlebensweisen noch Handlungen koordinieren lassen. So regeln sich System sich aufeinander ein, vernachlässigen oder sanktionieren Unterschiede und ermutigen und belohnen Gemeinsamkeiten. Dabei helfen Normen, Werte, Tabus, Pflichten, Konventionen, Regeln, Sanktionen, Gesetze, Vorgaben, Verträge, Konfliktregeln, Konsenstechniken usw. usf.. Alles – es sei nochmals daran erinnert – nötig, weil sonst der Dissens über das, was ist, überhand nähme.