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Funktion des Pols „Erkundend“

Wird immerzu von beiden Seiten gesendet, eskaliert auf Dauer der Konflikt, oder die Konfliktparteien verlieren das Interesse an der Kommunikation und brechen sie ab – sofern sie das können. In Ehen, Familien, Teams, Tarifkonflikten, Koalitionsverhandlungen, Rechtsstreitigkeiten etc. ist das ja oft keine so leicht zu wählende Möglichkeit. Auch wenn man das, was der andere sagt, schon längst nicht mehr hören kann und will. Will man also ins „Gespräch kommen“, muss man hören, was der andere sagt und darauf Bezug nehmen. Man muss eigene Inhalte zurückstellen und sich mit den vorgetragenen Inhalten beschäftigen. Dies ist die Funktion des Pols „Erkundend“.

In eskalierten Konflikten ist der Schritt, die Position des anderen zu erkunden, deshalb anspruchsvoll, weil es leicht so ausschaut, als ob Erkunden gleichzusetzen ist mit Zustimmen. Zudem muss das Erforschen der Argumente der Anderen von der einer Seite als eine Art Vorleistung erbracht werden. Wer im Aktionsmodus auf Erkundung umschaltet, weiß in der Regel nicht, ob der andere das zu einem späteren Zeitpunkt auch tun wird. Im Gegenteil, man läuft Gefahr, dass dies eher „ausgenutzt“ wird: „Jetzt, wo Du schon mal zuhörst, will ich Dir auch noch sagen…!“ Spätestens dann erstirbt oft der Wille zum Erkunden wieder und der Konflikt landet neuerlich beim Sende-Pol. Daran wird die Selbststabilisierung des Konflikts auf dem Sende-Pol verständlich. Der Erkundungs-Pol ist der unattraktivere. Es nimmt nicht Wunder, dass sich daher die eingangs geschilderte Wertung dieses Kommunikationsverhaltens verbreitet hat. So wird die Regulation des Konflikts leichter, weil das Risiko für den Gesprächsverlauf durch eine Aufwertung der Selbstsicht – „Wir sind hier die Konstruktiven!“ – bisweilen ausgeglichen wird. Das normative Aufladen von Zuhören als gut, kann also als Mittel verstanden werden, den Erkundungspol in (zivilisierten) Konflikten wahrscheinlicher zu machen oder ungünstige Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen.