Klaus Eidenschink
Bedürfnisse
„Ich möchte gesehen werden!“ Das ist kein Bedürfnis! „Ich möchte reisen!“ Auch das ist kein Bedürfnis! Warum nicht?
Zum ersten: Bedürfnisse (im Erwachsenenalter) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie immer eigene Aktivität sind. Also nicht „ich möchte gesehen werden“, denn das macht der andere, sondern „Ich möchte mich zeigen!“, denn das tue ich selbst! Wäre Bedürfnis etwas, was andere tun, wären wir Sklaven unserer Bedürfnisse und anderer Menschen. Wir wären nicht frei, sondern abhängig.
Zum zweiten: Bedürfnisse sind etwas was ich erlebe, nicht ein Tun. Reisen ist ein „Tun“ und damit ein Bedürfnisbefriedungsmittel. Mittel sind Mittel zum Zweck und damit variierbar und austauschbar. Vielleicht erlebt man sich als frei oder neugierig oder entspannt oder ungebunden oder …, wenn man reist. Aber grundsätzlich geht das eben auch durch anders. Ist auch gut so, deshalb reisen auch nicht alle durch die Welt, gehen am Samstag ins Stadion oder abends in den Club zum Tanzen.
Schaut man sich allerdings um, dann entdeckt man, wir sehr Menschen darum kämpfen, dass andere ihre Bedürfnisse stillen („Mein Chef soll mich loben!“, „Die Firma soll mir Freiraum lassen!“, „Mein Partner soll mich lieben!“) und wie sehr um bestimmte Bedürfnisbefriedungsmittel gekämpft wird. „Wenn ich xy nicht mehr tun kann, dann ist es mit dem Glück vorbei!“.
Beides macht (potentiell) unglücklich.
Wer seine Befriedigung in dem sucht, was er tut, wird abhängig, ob er tun kann, was er tun möchte. Wer hingegen Befriedigung in dem findet, was er erlebt, wird vom äußeren Tun unabhängig. Er kann im Gefängnis frei sein. Wer kaum etwas (Intensives) in sich erlebt, der kann tun, was er will, er wird unbefriedigt bleiben. Darum macht viele Menschen äußere Aktivität, Besitz, und „Events“ ruhelos und dann depressiv, aber nicht zufrieden. Wer an seinen Erlebnismöglichkeiten arbeitet, dem kann das Erworbene nie wieder verloren gehen. Wer Erlebnisse hat, ohne innerlich viel zu erleben, bleibt leer.
Wer Befriedigung dadurch sucht, ideale Bedingungen im Außen (Beruf, Firma, Partner, Kinder, Hobbies, Tiere etc.) zu suchen, braucht viel Kontrolle über das Außen und wird abhängig vom Gelingen. Gelingt es, hat man Angst, dass es verloren geht. Also egal wie, man erzeugt ein Problem. Wer Befriedung findet in dem, was er aktiv selbst macht, gestaltet seine Bedürfnisse selbst: Andere lieben, statt geliebt werden zu wollen, etwas gestalten, statt die richtige Aufgabe von anderen zu bekommen, etwas geben, statt Dankbarkeit zu erwarten, nach Möglichkeiten suchen, statt nur gerettet werden zu wollen.
Darum lohnt sich der Ausbau von Bedürfnisregulationskompetenz.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.