Eins, zwei oder drei?
Manche Beratungsschulen setzen auf die „Eins“: Es gibt nur den Kunden und man versucht ihm zu helfen, sich zu verändern. Der Berater oder die Beraterin oder die BeraterInnen selbst kommen nicht weiter in die Reflexion, es sei denn sie verstehen nichts von ihrer eigenen Sache. Denn – sie reparieren oder verbessern den/die Kunden mit den Tools, sie sie haben und im Hinblick auf die Zielzustände, die sie für richtig halten. Und als Reparateur müssen sie gut sein, den Kunden überzeugen und sich selbst auch.
Andere setzen auf die „Zwei“: Es gibt den Kunden und es gibt die Berater. Beides ist wichtig und wird reflektiert. Man arbeitet im Dialog. Wie reagieren wir (Berater) auf den Kunden, was sagt und hilft uns das, bei der Auswahl von Interventionen und beim Verstehen der Verhältnisse? Das führt wesentlich weiter, weil der Berater so sehr viel spezifischer arbeiten kann und die eigenen Resonanzen auf das System nutzen kann, die impliziten Informationen über den Kunden zu registrieren und in Interventionen überzuführen.
Wir schlagen vor, besser auf die „Drei“ zu setzen: Berater, Kunde und Beratungssystem. Coach, Klient und Coachingbeziehung. Teamentwickler, Team und Workshopdynamik. Geht man von drei (Systemen) aus, dann wird es anspruchsvoll. Beratungssystem, Coachingbeziehung, Workshopdynamik sind fragil, auf Zeit geschmiedet und müssen ständig nachjustiert und erhalten werden. Dieses dritte System ist ein reines Kommunikationssystem, hat also keine „materielle“ Substanz.
Wodurch ist es definiert? Es dient ausschließlich den Veränderungswünschen des Kunden! Es geht als nicht um die Berater, nicht um deren Intentionen und erst recht nicht um deren Wunsch nach einem Folgeauftrag! Es geht darum, die wechselseitige Bezogenheit zu nutzen, um zu verstehen,
- was der Kunde für abstellungswürdig, falsch oder schädlich findet (Vergangenheitsbezug),
- was der Kunde für normal, gegeben oder selbstverständlich hält (Gegenwartsbezug) und
- was der Kunde für erstrebenswert, erfolgsversprechend oder strategisch notwendig ansieht (Zukunftsbezug).
In all diesen Bereichen wird dann gemeinsam nach unbewussten, latenten, impliziten Prozessen gesucht, die sich auf einen der folgenden vier Punkte beziehen:
- Welche Kräfte, Akteure, Muster, Schemata, Strukturen, Personen etc.pp. sind dafür verantwortlich, dass die gegenwärtig vorliegende Situation erzeugt werden? Keine Situation liegt einfach vor, sondern wird in irgendeiner Weise erzeugt. Ohne gemeinsames Herausarbeiten und Verstehen dieser Faktoren neigen Beratungsprozesse von einem gegebenen „Defizit“ auszugehen und arbeiten dann an der „Veränderung“. Der Sinn der Stagnation bleibt außen vor und der Berater verbündet sich mit dem Verbesserungsimpulsen beim Kunden.
- Welche Abwertungen nutzt der Kunde sich selbst gegenüber? „Das mache ich immer falsch, obwohl ich es besser weiß!“, “ Das kriegen wir hier im Team einfach nicht auf die Reihe!“, “ Wir müssen den Vertrieb dringend auf Vordermann bringen!“ Mit solchen oder vergleichbaren Aussagen, lässt sich unmittelbar verstehen, welche Kräfte beim Kunden gegeneinander wirken. Die Berater muss immer beide Kräfte als Auftraggeber verstehen, sonst entsteht beim Kunden zum Berater nicht nur ein Beratungssystem, sondern auch ein Widerstandssystem.
- Welche Ziele hat der Kunde avisiert, ohne zu wissen, ob diese nicht möglicherweise dysfunktional sind und die Lage zu verschlimmbessern drohen? Was der Kunde für erstrebenswert hält, ist für Beratung ebenso wichtig kritisch mit ihm zu beleuchten, wie das, was er für problematisch hält. Selbstverbesserungsintentionen sind sehr häufig ein ungünstiger Ausgangspunkt für Beratungen.
- Welche Kräfte stehen einer angestrebten (funktionalen) Veränderung im Wege? Dieser Punkt ist der geläufigste und wird in den meisten Beratungsschulen in den Fokus genommen. Sinnvoll und zu eng als Blickwinkel, um dem Kunden im Ganzen gerecht zu werden.
Berater stellt dem Kunden in dem gemeinsam gestalteten „Beratungssystem“ alle Beobachtungen, die sich auf einen oder mehrere der obigen Punkten beziehen, zur Verfügung. Auch das ist anspruchsvoll, da niemand sich leicht tut, latente und implizite Vorgänge bei sich, im Team oder in der Organisation in Augenschein zu nehmen. Da braucht es auf allen Seiten Vertrauen und Wohlwollen. Nur zusammen mit dem Kunden lässt sich nämlich auswerten, welche Bedeutung die Beobachtungen von Beratern haben. Daraus ergibt sich unmittelbar, dass kein Berater für jeden Kunden der Richtige sein kann. Das muss immer erst durch die Bildung einer belastbaren Beratungsbeziehung mit dem Kunden verifiziert werden. Denn ohne die „Drei“ hat die „Zwei“ bei der „Eins“ Hopfen und Malz verloren. Kein Coaching gleicht dann dem anderen, keinen Workshop kann man zweimal gleich machen und kein Organisationsberatungsprojekt ist wie das andere.
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