Hinterzimmerentscheidungen
Hinterzimmerentscheidungen – das sind hier Treffen von entscheidungsrelevanten Personen jenseits offizieller Gremien – haben einen schlechten Ruf und kommen doch überall vor. Es braucht somit eine organisationsdynamische Erklärung für dieses Phänomen.
Kein Entscheidungsprozess lässt sich so rational gestalten und festlegen, dass er für alle Fälle gilt, dass er keine Ermessensspielräume zulassen würde, dass er dem speziellen Fall so gerecht wird, wie es notwendig wäre, dass er alle Interessen so berücksichtigt, wie es erforderlich wäre. Es braucht also als ‚Spielräume‘. Diese werden – durchaus auch zum Schutz der offiziellen Prozesse – dann eben in Hinterzimmern ausgelotet.
Hinterzimmer eignen sich gut dafür,
- auszuloten, wo Schmerzgrenzen für Kompromissbildungen sind, die nicht sofort mit dem Gesichtsverlust von Beteiligten einherzugehen drohen,
- auszuloten wie mächtige Positionsinhaber denken, wohin sie tendieren,
- Gelegenheit zu geben, sich als Unterstützer von Mächtigen hervorzutun,
- Koalitionen zu schmieden, die – wären sie bekannt – die Akzeptanz der Entscheidung unterminieren würden,
- sich abzusichern, damit man in den offiziellen Prozessen weniger mit Unvorhersehbarem rechnen muss,
- zukünftige „Gegengeschäfte“ abzusprechen, um eine Entscheidung überhaupt erst zu ermöglichen,
- Gegenleistungen abzusichern, die offiziell nicht durchsetzbar wären,
- Einflussnahmen, die aus der Umwelt der Organisation kommen, eine Wirkstätte zu verschaffen.
All diese Funktionen, die in Hinterzimmern kultiviert werden, können vollkommen unterschiedlich in der Organisation (und außerhalb) bewertet werden. Sie können Erleichterung („Sie haben eine Lösung gefunden!“) wie Empörung („Alles reine Schacherei, die Abstimmung ist eine Farce!“) hervorrufen. Organisationsdynamisch steht zu vermuten, dass ohne Hinterzimmer große Organisationen Entscheidungen mit komplzierten Interessenlagen nicht fällen können.