FRIEDEN SCHAFFEN??!!
Der Streit, ob man mit mehr Waffen oder eher mit dem Verzicht auf dieselben zum Frieden kommt, übersieht die entscheidende Paradoxie. Diese bekommt man zu Gesicht, wenn man das Implikat in der Fragestellung betrachtet. In der Frage ist nämlich schon entschieden, ist dass man Frieden SCHAFFEN muss. Der Streit geht nur um die Wahl der Mittel. Egal also, ob man Frieden mit oder ohne Waffen anstrebt, Bellezist oder Pazifizist ist – Frieden ist in beiden Fällen kein „Naturzustand“, sondern muss erzeugt werden.
Kann man Frieden erzeugen? Sozialer Frieden besteht in einer akzeptierten Ordnung. Solche Ordnungen sind immer fragil. Sie sind immer auf Zeit. Sie sind immer umkämpft. Sie sind immer auch anders möglich. Weil der Möglichkeiten so viele sind, haben sich soziale Systeme seit jeher vieler Werkzeuge bedient, um Ordnung robuster zu machen. Besonders beliebt sind dabei Phänomene wie Werte, Regeln oder Normen. Werden diese allgemein akzeptiert – etwa Völkerrecht, Selbstbestimmungsrecht, Menschenrechte, Eigentumsrechte – um nur einige gegenwärtig besonders markante zu nennen, kann Frieden einkehren. Man schafft Frieden also durch Akzeptanz für eine Ordnung. Für global Ordnungen braucht es globale Zustimmung. Alle müssen einverstanden sein, wenn es ein Völkerrecht oder Menschenrechte geben soll, die nicht verhandelbar sind. Warum ist das unwahrscheinlich?
Man muss begreifen, dass jegliche soziale Ordnung ein Ergebnis von Kompromissen ist und damit Verlierer produziert. Hat der Staat das Gewaltmonopol darf nicht mehr jeder wie im „wilden Westen“ um sich schießen. Gibt es Eigentumsrechte, muss ich damit leben, dass Oligarchen Yachten kaufen und nicht Nahrung für hungernde Kinder. Geschaffene Ordnungen sind Setzungen. Damit verletzen sie Interessen und stehen in Konkurrenz zu anderen Setzungen. Wer Frieden schafft, schränkt andere Menschen in ihrer Freiheit ein. Damit ist „Frieden schaffen“ paradoxerweise immer eine kriegerische Handlung. Alle müssen(!) das Völkerrecht zu akzeptieren. Damit kein Missverständnis entsteht: Ich finde das im Prinzip richtig und nötig.
Es bedeutet aber auch, dass – um ein aktuelles Beispiel zu nehmen – die Grenzen von Ländern zu einem vollkommen willkürlichen Zeitpunkt als sakrosankt erklärt werden. Muss man in diesem Fall damit rechnen, dass das nicht alle so sehen und akzeptieren wollen? Ja, alles andere wäre illusorisch! Verschiebt sich folglich der Imperialismus von Grenzveränderungen hin zu Einflusssphären? Erwartbar! Wird diese gesetzte Ordnung fragil, wenn die Rohstoffe knapp und Gebiete, in denen man nach der Klimaerwärmung gut leben kann, weniger werden? Vermutlich. Ewiger Frieden? Eher nicht.
Darum: Frieden schaffen, heißt – mit und ohne Waffen-, Konflikte zugunsten einer zu schaffenden Ordnung zu regulieren. Es gibt in diesem Vorgang nirgends die Guten mit den legitimierten Mitteln. Es gibt nur kluge und weniger kluge Vorgehensweisen. Empörung auf beiden Seiten hilft nicht.
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