Polaritäten
In unserem metatheoretischen Ansatz gehen wir von einem Prozessmuster des Erkennens und Handelns aus, das den Umgang mit Paradoxien, Polaritäten, Ambiguitäten, Antagonismen und Unterscheidungen als Kernkompetenz von überlebensfähigen Systemen ansieht. Polarität bezeichnet die Beobachtung, dass zwei Teile zusammen eine Einheit bilden, die beide ohne den anderen Teil nicht möglich oder denkbar sind. Niemand kann Licht denken, ohne Dunkelheit mitzuführen, niemand kann anspannen, ohne auch loszulassen. Merkmal einer polaren Einheit ist, dass jeder der beiden Pole gleich wertig und gleich wichtig ist, dass sie sich ergänzen und nicht in einem logischen Widerspruch stehen. Man kann also das eine nicht vernichten, ohne dem anderen bzw. dem Ganzen zu schaden. Und – ebenso wichtig – man kann das eine nur gut leben, wenn man auch das andere gut leben kann. Wer besser ist im Anspannen als im Loslassen, verkrampft auf Dauer. Ein funktionaler Umgang mit Polaritäten besteht demnach darin, beide Pole im Spiel zu halten. Da ein Spiel ein zeitlich verfasstes Geschehen ist, heißt das, dass man mit Polen sequentiell handeln muss. Man kann nicht gleichzeitig aus- und einatmen. Aber man kann (und muss) es nacheinander (kompetent) tun. Da man im psychologischen oder organisationalen Kontext meist in einem der beiden Pole begabter ist als im anderen, ist das durchaus eine Herausforderung.