Fehler als Regelverstoss
Wenn es richtig ist, dass Organisationen entscheiden müssen (um sich zu erhalten), ob sie etwas regelkonform oder situationsspezifisch handhaben, dann lässt sich die gängige Definition von Fehler als „Verstoss gegen eine Regel“ nicht aufrechterhalten. Genausowenig kann es gelten, dass, wenn man sich an eine anerkannte Regel hält, dies als ein Zeichen von Fehlerfreiheit zu interpretieren ist. Denn wenn keine Regel je ganz zur Situation passt, dann ist es auch immer ein wenig falsch, regelgerecht zu handeln! Auch die jeweiligen Umkehrschlüsse laufen ins Leere: Es ist weder richtig, immer nur einzelfallbezogen zu entscheiden (= Erzeugung unbeherrschbarer Komplexität), noch ist es richtig, in Regelbefolgung etwas Falsches zu sehen, nur weil sie immer auch etwas Unangemessenes für diesen einen Moment beinhaltet. Erst recht unübersichtlich wird es, wenn man – im organisationalen Alltag häufig! – davon ausgehen kann, dass es Situationen gibt, in der konkurrierende und sich ausschließende Anweisungen auf die gleiche Situation anzuwenden sind („Liefere Reports an den Vorstand immer zeitgerecht ab!“ und „Lasse Kunden mit seinem Anliegen niemals hängen!“).
Also – was ist dann ein Fehler? Im Licht dieser Überlegungen bleibt der schlichte Satz: „Ein Fehler ist ein Mangel an Urteilskraft, ob und wie deutlich in diesem speziellen Moment von einer anerkannten Regel abgewichen werden soll.“ Damit kommt der Ausbildung, Überprüfung und Verinnerlichung dieser Urteilskraft bei Mitarbeitern (ein altmodisches Wort dafür ist Gewissen!) allerhöchste Bedeutung für effektive Organisationen zu.