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Eigendynamik des Widerspruchs

Wie stabilisiert sich Widerspruch durch Rückbezüglichkeit? Um dies zu verstehen, muss man sich ein paradoxiefähiges Denken erarbeiten. Ich gehe ein Beispiel diesbezüglich Schritt für Schritt durch und bitte die Leser, die denkerische Anstrengung ggf. mitzumachen.

Person A: „Könntest Du die Musik leiser stellen?“; Person B: „Jetzt soll ich mich schon wieder nach Dir richten! Kann ich nicht einmal so laut hören, wie ich will?“. Person A: „Du hast doch erst gestern laut Musik gehört, als ich nicht da war, wie Du mir erzählt hast. Dann geht es doch jetzt wohl ein wenig leiser! Person B: „Nein, ich will jetzt meine Musik so laut hören, wie ich mag!

Person A hat eine Mitteilung gemacht und dabei die Erwartung gehabt, dass seine Bitte bei B auf ein positives Echo stößt. Er hat also keinen Konflikt begonnen. Aber er gibt den Anlass zu dem Konflikt. Denn – ohne diese Mitteilung, gäbe es nichts, was B nun mit „Nein“ beantworten könnte. Dass sich eine Konfliktdynamik entwickelt, entscheidet also nicht die Aussage von A, sondern das Verstehen von B und dessen Entscheidung nicht nur anderer Meinung zu sein, sondern A zu widersprechen! Denn B versteht die Mitteilung als Dominanzwunsch gegen den er sich wehren möchte. Für dieses Wehren entscheidet sich B aus eigenem Antrieb, nicht (kausal) wegen der Aussage von A. Dass seine Mitteilung Anlass für einen Konflikt wird, konnte A vor der Reaktion von B gar nicht wissen, für ihn war es eine Bitte. Gleiches gilt nun allerdings auch für B. Er kann nicht wissen, ob A nun einfach sagt „Gut, dann geh ich in den anderen Raum!“ oder ob er – wie oben – die Dominanzvermutung von B geflissentlich überhört und auf der Sachebene die Diskussion im Sinne seines Wunsches führt und weiter im Widersprechen bleibt. Also auch hier entscheidet die Antwort über die Wirkung der Aussage, auf die sie reagiert. Schlussendlich entscheidet auch B am Ende beim Widerspruch zu bleiben, weil er die Aussage von A neuerlich als abzuwehrende Fremdbestimmung interpretiert.