Verlierer-Kompetenz
Kompetent Verlierer sein können? Wozu? Warum? In einer (Organisations-)Welt in der nur der Erfolg zählt?
Vielleicht ist dies einer der bedeutsamsten blinden Flecke gängiger Organisationstheorie: Es wird nicht ernst genug genommen, dass Organisationen um Konflikte herum „gebaut“ sind. Produktion und Vertrieb – beispielsweise – haben in sehr vielen Fragen und Entscheidungsbedarfen weder die gleichen Interessen, noch sind diese Interessengegensätze normalerweise konsensfähig. Die Idee, dass man nur lang genug miteinander reden müsste, um zu einer „win-win-Lösung“ zu kommen, lässt sich aus einem systemtheoretischen Verständnis von Organisationen nicht ableiten oder rechtfertigen. Im Gegenteil: Gegensätzliche Pole wie Flexibilität für den Kunden (Vertrieb) und Produktionsroutinen (Produktion) nötigen in Organisationen zu Entscheidungen, die für einige der Entscheidungsträger die Bedeutung haben, als „Verlierer“ dazustehen.
Deswegen braucht es auf Seiten der Funktionsträger die psychische Kompetenz, dies selbstwerterhaltend zu verarbeiten, und auf Seiten der Organisation Werte, die Verlieren nicht als Zeichen von Schwäche definieren, und Regeln, nach denen Verlieren sich nicht negativ auf die Karriere auswirkt. Anders formuliert: Sowohl Personen wie die Organisation kommen nicht umhin, nicht einseitig auf Durchsetzen und Gewinnen zu fokussieren, denn wenn alle gewinnen müssen, dann kann sich keine Verlierer-Kompetenz bilden. Dies verlangsamt die Organisation und macht sie inkompetent dann gut zu entscheiden, wenn geklärt werden muss, in welchen sauren Apfel wer zu welchem Zeitpunkt zum Wohl des Ganzen zu beißen hat.