Verlieren und Konflikt
Es muss Verlierer geben. Andernfalls können Konflikte nicht enden, Entscheidungen nicht getroffen werden, Alternativen nicht „beerdigt“ werden und soziale Systeme sich nicht fokussieren.
Mit Verlieren soll hier gemeint sein, dass jemand seine Meinung aufgibt oder zumindest nicht mehr als relevant ansieht. Das kann zu Gänze geschehen, dann nennt man es Zustimmung. Es kann in Teilen geschehen, dann nennt man es Kompromissbildung. Bei Letzterem verliert also jeder in Teilen. Oft wird das anderes herum formuliert: Alle gewinnen etwas. Das halte ich für eher ungünstig. Denn: Die Kernkompetenz in Konflikten ist es – sollen sie nicht zum Dauerkampf oder Krieg führen – sich NICHT mit seiner Meinung zu identifizieren. Wessen inneres Empfinden von dem Satz geprägt ist: „Meine Meinung bin ich!“, der ist besonders gut geeignet, in Konflikten für Ausweitung, Zuspitzung und Eskalation zu sorgen.
Um die Freiheit zu haben, von der eigenen Meinung abzurücken, sind folgende drei innerseelischen Merkmale von besonderer Bedeutung. Auf ihnen gründet die Fähigkeit in Konflikten und Entscheidungsprozessen flexibel zu bleiben:
- Ich bin nicht das, was ich denke: Wer sich mit seiner Meinung verwechselt, kämpft in jedem Diskurs ums Überleben seiner seelischen Identität!
- Ich bin viele: Wer unterschiedliche Seiten seiner Seele in sich aufrufen kann, der kann unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Dann erlebt man in sich die Vielfalt und muss nicht im Außen um das Eine kämpfen!
- Ich bin in Resonanz: Wer sich mit anderen seelisch verbunden fühlt, der rechnet immer damit, dass an dem, was andere sagen, auch Wichtiges zum Ausdruck kommt. Das hilft seine eigenen Wichtigkeiten zu relativieren.