Fremdwahrnehmung
Wenn der Umgang mit den Selbstausdrucksmustern der Klienten für das Gelingen von Beratung essentiell ist, dann hängt sehr viel von der Fähigkeit des Beraters ab, andere Menschen genauestens wahrzunehmen. Diese Kompetenz ist ein Stück Begabung oder Ausdruck früher Übung. Sie kann und muss aber ausgebaut und verfeinert werden. Wie viel ich beim anderen wahrnehmen kann, hängt ganz unmittelbar auch mit der Weite meiner Selbstwahrnehmung zusammen. Wenn ich selbst z. B. Kränkungen in mir nicht wahrnehme, ist es unwahrscheinlich, dass ich die Kränkungssignale beim Klienten erkenne. Die Selbsterfahrung des Beraters spielt hier also eine wesentliche Rolle. Um das Wahrnehmungmaterial angemessen nutzen zu können, braucht es zudem einen umfangreichen Wortschatz. Über Geschichten, Metaphern u.ä. lassen sich feine Differenzierungen des Ausdrucksverhaltens kenntlich und verständlich machen. Beides – Wahrnehmen des Klienten und Beschreibung der Wahrnehmung – braucht Gewahrsein, aber nur wenig Kognition. Viele Berater sind im Gespräch allerdings stark bis ausschließlich mit den Inhalten des Klienten beschäftigt, also mit Denken und Verstehen wollen. Eine solche einseitige Haltung des Beraters erweist sich in diesem Zusammenhang als dysfunktional, weil sie die Orientierung am „Wie“ und damit daran, was sich im Hier und Jetzt vom Klienten ausdrückt, aufgibt. Der Berater fängt dann an, an der Veränderung zu arbeiten und nicht den Klienten zu unterstützen, herauszufinden, wie er diese verhindert.