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Feindlich

Feindlich nennen wir einen der beiden Kontaktmodi im Konfliktsystem. Nicht sonderlich überraschend, da die Zuschreibung „Feind“ als Merkmal von Konflikten in fast allen Konflikttheorien gilt. Dieser Begriff bezeichnet hier eine stabile Erwartung bei einer Person oder einem sozialen System, dass der Konfliktpartner durch eine Haltung und Motivlage geprägt ist, die einem selbst schaden will. Es ist gut erforscht und belegt, dass eine solche Erwartung eine hohe Tendenz hat, sich selbst zu bestätigen. „Feindlich“ ist also ein Beobachtungsschema, welches sich aus der Fülle dessen, was geschieht, eine Auswahl so zusammensucht, dass der Feindstatus gerechtfertigt ist. Das bedeutet nicht, dass es keine real schädigenden Vorgänge geben würde, sondern dass die soziale Rolle „feindlich“ (und nicht etwa verzweifelt, ohnmächtig, gekränkt, bedroht, ängstlich, zersplittert, unachtsam etc.) daran festgemacht wird. Daher ist „feindlich“ immer eine Zuschreibung und damit die Entscheidung (!) für ein Stereotyp und nie ein Fakt (F. Glasl nennt dies Monovalenz).
Eine weitere Einseitigkeit vieler Konflikttheorien ist die Bevorzugung von freundlich, konsensual, dialogisch etc. Feindorientierung gilt als schlecht oder gar böse. Dann lässt sich allerdings nur sehr schlecht – etwa mit der verderbten Natur des Menschen – noch erklären, wie es dazu kommt, dass wir von Konflikten umgeben sind und sie sich nicht haben ausrotten lassen, seit es Menschen gibt (und auch die Götter im Olymp sollen ja viele gehabt haben). Die Feindorientierung ist aus unserer Sicht aber oft unvermeidlich, sollen strukturell festgefahrene Lagen verändert werden. Die Kraft, die Eindeutigkeit, die Aggressionsbereitschaft, der Zusammenhalt lassen sich in sozialen wie in psychischen Systemen oft nicht mobilisieren, wenn es nicht gegen jemanden geht. Ein Kampf braucht eine konkrete „Zustelladresse“, wenn er geführt werden soll. Gegen Klimaerwärmung, gegen Benachteiligung, gegen Verschmutzung lässt sich erst aktiv werden, wenn es Verursacher oder Verantwortliche gibt.