Doppelte Kontingenz
Wenn man genau wüsste, was der andere denkt, fühlt und tut (und umgekehrt), dann müsste man nicht miteinander sprechen. Wozu auch? Es wäre kein Raum für Interpretation, alles wäre festgelegt und man müsste reagieren, wie man reagiert. Nur wenn man annehmen muss, dass das, was der andere denkt, fühlt und tut davon abhängig ist, was man selbst denkt, fühlt und tut (und umgekehrt), dann wird es unübersichtlich. Es entsteht eine Abhängigkeit, die jeder im Alltag z.B gut beim Kartenspielen oder beim Gebrauchtwagenkauf kennt: Wenn ich das tue, dann wird der andere wahrscheinlich jenes tun. Aber was ist, wenn ich nur so tun würde, als ob ich täte? Tut dann das andere, das, was ich möchte oder durchschaut er das Spiel?
Dieses Spiel nennt man systemtheoretisch doppelte Kontingenz. Damit sind all die Probleme gemeint, die durch die Freiheit anderer (Systeme) ins Spiel kommen. Man kann das Verhalten, die Mitteilungen anderer immer unterschiedlich interpretieren und hat selbst keine Kontrolle darüber, wie man verstanden wird. Diese Doppelung – beide Seiten müssen mit der Freiheit des anderen rechnen und sind selbst nicht festgelegt, wie sie den anderen deuten – lässt soziale Systeme entstehen. Dies ist auch der Grund, warum der Sinn einer Situation, nicht einfach vorliegt und erkannt werden muss. Andere Systeme müssen interpretiert werden, sie müssen mit Sinn versehen und genau darüber entsteht Kommunikation.