Conflicting Targets
Ein besonders interessantes Phänomen, um Organisationen zu verstehen und Dysfunktionalitäten zu identifizieren, sind sogenannte „Conflicting Targets“ (= widersprüchliche Erwartungen oder Zielvorgaben für einen Funktionsträger, ein Team oder eine Organisationseinheit). Beliebtes Beispiel: Ein Callcenter wird vom einen Vertriebsvorstand an der Kundenzufriedenheit gemessen und vom Finanzvorstand an den Kosten pro Call (= Kürze des Telefonats). Der Leiter ist kurz vor dem Burn-Out.
Nun sind einerseits Organisationen um (Ziel-)Konflikte herum gebaut und andererseits können Zielkonflikte ein Hinweis auf dysfunktionale Vernetzungen an ungünstigen Stellen der Organisation sein. Im letzteren Fall würden strukturelle Überforderungen bzw. Handlungsblockaden entstehen: Wem soll der Callcenter-Leiter nun gefallen? Wie soll er seine Leute ausrichten und schulen? Ob es in einem solchen Fall von den Vorständen gewollt ist, dass die Bearbeitung des Abwägungskonflikts bei diesem Abteilungsleiter liegt (und er daher daran gemessen wird, wie klug er ihn löst), oder ob dies ein Ausdruck des vermiedenen Priorisierungskonflikts im Vorstand ist (was häufiger der Fall ist!), muss untersucht werden.
Die Frage im Hinblick auf den Leitprozess Vernetzung ist also, ob hier ein Mangel an Vernetzung im Vorstand vorliegt (und damit eine ungünstige Vernetzung beim Abteilungsleiter landet) oder ob ein Mangel an Vernetzungskompetenz beim Callcenter-Leiter vorliegt, weil er mit dem Zielkonflikt nicht gut umgehen kann. Beides ist denkbar und schließt einander noch nicht einmal aus.