Vertrauen und Regeln
Vertrauen und Regeln hängen für Organisationen in interessanter Weise zusammen. Die Leitprozesse Sozialkomplexität und Gegenwartsbehandlung wirken gleichzeitig aufeinander ein.
Wer vertraut, geht davon aus, dass der andere sich an (verabredete) Regeln hält und dass man, sollten Ausnahmen nötig sein, man diese mittragen würde (auch wenn man nichts oder erst im Nachgang davon weiß). Vertrauen schafft beim Leitprozess Gegenwartbehandlung also Spiel- und Freiräume. Wer sich an die Regeln hält, schafft damit auch immer weiteres Vertrauen bei dem, der Vertrauen schenkt. Das Gleiche gilt wenn Ausnahmen kommuniziert und auf Konsens hin geprüft werden („War es in Ordnung, dass…?“). Wer Vertrauen belastet, um Entscheidungsmöglichkeiten zu nutzen, von denen er annehmen kann, dass sie nicht auf Zustimmung stossen, setzt darauf, dass es geheim bleibt, dass er mit dem entstehenden Konflikt klar kommt oder dass er in Zukunft ohne das Vertrauen des anderen zurecht kommt. Alle drei Möglichkeiten bringen zusätzliche Komplexität in das System.
Umgekehrt – wer regelorientiertes Verhalten anbietet, bietet sich auch als jemand an, dem man Vertrauen schenken könnte. Man lässt sich dabei beobachten, dass man Chancen nicht ergreift, die auf Regelbruch basieren, und kann davon ausgehen, dass dies mit Vertrauensbereitschaft auf der anderen Seite beantwortet wird. Wer dafür bekannt ist, sich nie wirklich an Regeln zu halten, wird andersherum mit hoher Wahrscheinlichkeit Kontrollaktivitäten und Dauerbeobachtung auf sich ziehen. In diesem von Rückbezüglichkeit durchsetztem Gelände bewegen sich Organisationen.
Wichtig werden diese Zusammenhänge beim Versuch etwas zu verändern, da Veränderung meist mit anderen, neuen Regelsetzungen und Kontrollprozessen einhergehen. Damit kommt das System aus seinem eingeschwungenen Zustand und muss erst wieder neu prüfen, ob Vertrauen gerechtfertigt ist oder Ausnahmen von den neuen Regeln möglich sind. Dieser Prozess und seine Störanfälligkeit, wird oft unterschätzt.