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Überzeugen wollen

Viele Debatten können als Anbahnung eines Konfliktsystems verstanden werden. Mit Debatte meine ich hier, dass mehr oder weniger persönliche Wertschätzung kultiviert wird und in der Sache deutlich gegensätzliche Standpunkte vertreten werden. (Ein Großteil der Talkshows ist so konzipiert). Ein solches Kommunikationsformat ist eine deshalb so eine interessante Form, weil Debatten kultiviert werden können. Sie sind lassen sich begrenzen in ihrer Neigung „außer Form“ zu geraten, indem weder persönliche Feindschaften in den Vordergrund kommen (dürfen), keine (persönlichen) Drohungen oder ähnliches Platz haben und damit der Konflikt auf der Sachdimension gehalten wird. In aller Regel gilt dies für Meetings in Organisationen in verwandter Weise.

Eine wesentliche Prämisse dieser sozial ja häufig gebrauchten Kommunikationsform ist es, dass es gelingen kann, über rationales Argumentieren andere zu überzeugen und sie zur Aufgabe ihrer Standpunkte zu bewegen. An dieser Prämisse kann man viel Zweifel haben und Kritik üben. Aus der Sicht dieser Konflikttheorie ist der kritische Punkt, dass damit suggeriert wird, dass der Argumentierende die Macht hat, Einfluss auf das Denken anderer zu nehmen. Es entscheidet aber der Angesprochene, ob und wie er Argumente anderer ins Kalkül nimmt. Daher könnte man meinen, dass es verbreitete Gewohnheit ist, wenn einem etwas wichtig ist, es so (in Debatten) zu formulieren, das es wahrscheinlicher wird, sich vom Gesagten überzeugen lassen.

Da dies häufig nicht geschieht, müssen hinter dem Eifer des Überzeugen-wollens andere Gründe stecken als die, Verständigung zu erzielen. Hier wirkt nämlich ganz entscheidend die Konfliktdynamik selbst die große Rolle. Überzeugen-wollen braucht der Konflikt für seine Reproduktion, seinen Selbsterhalt. Im Konflikt bildet sich die Erwartung aus, dass der andere nicht Nachgeben wird und entstehen genau die Bedingungen, dass nicht Nachgegeben wird. Darum versorgt Überzeugungskommunikation den Konflikt mit dem Material, aus dem der Konflikt sich von Moment zu Moment neu belebt.