Temporale Strukturmuster in Organisationen
Strukturen sind festgelegte Erwartungen für bestimmte Situationen. Sie richten sich auf Zukunft. Solche Erwartungen können unterschiedliche Foki haben: Die Erwartung, dass dieses oder jenes geschieht (= Sachdimension!), oder wie sich dieser oder jener verhält (= Sozialdimension). Darüber wurde von der Organisationsforschung und wird viel geschrieben und untersucht. Vergleichsweise wenig Beachtung fanden und finden zeitliche Strukturmuster.
Organisationen sind jedoch voll von zeitbezogenen strukturellen Erwartungen: Deadlines, Roadmaps, Meilensteine, Fristen, Termine, Planungsschritte usw.. Jede Organisation muss sich damit „herumschlagen“, dass die real stattfindenden Prozesse den Strukturen meist nicht entsprechen. Die „Enttäuschungsquote“ temporaler Erwartungen ist meist ungleich höher als die, die sich auf Personen oder Sachthemen beziehen. Wie kommt das?
Das hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass sich die Zeit sehr viel schlechter synchronisieren lässt als Personen sich koordinieren und Themen fachlich klären. Die Eigenzeiten und die darin geronnenen Erwartungen jeder Person, jedes Teams, jeder Abteilung, jedes Bereichs sind nicht so sichtbar und dokumentiert wie Personen und Themen. Das daraus entstehende Problem benennt der Alltag mit Eile (zu wenig Zeit) und Warten (zu viel Zeit). Die Erwartungen daran, wie groß das soziale oder sachliche Problem wird, wenn man andere Systeme unter Zeitdruck setzt oder sie hinhält, sind dann neuerlich sehr verschieden. Auch dafür gibt es temporale (oft normative) Strukturmuster: Was ist pünktlich? Wann hat man sich verspätet? Wie lange muss man warten? Wann muss man Bescheid geben, wenn etwas länger dauert? Wann darf man etwas anmahnen?
In Organisationen beruhen Konflikte und Dysfunktionalitäten bei genauerem Hinsehen oft mehr auf unterschiedlichen Zeitstrukturen als auf sozialen oder sachlichen Differenzen. Letztere sind oft eher Symptombildungen von ersterem.