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Sendend

Wer sitzt im Sprecherstuhl und wer im Hörerstuhl? In Konflikten imponiert immer wieder, dass beide Konfliktpartner mehr oder weniger gleichzeitig die Position dessen, der spricht, einnehmen. Gegenseitiges Anbrüllen ist die Endform dieser Szenerie. Nun kann man schon aus der Kenntnis der Signaltechnik wissen, dass zwei Lautsprecher im Raum keine Signalübertragung bewirken, egal wie laut sie senden. Es braucht ein Mikrofon. Wer den Sendepol einnimmt, braucht den anderen bestenfalls als Reiz- und Stichwortgeber, um die Kommunikation mit eigenen Inhalten weiterzuführen. Diese minimale Bezogenheit reicht aus, um das Konfliktsystem zu reproduzieren.
Das Senden eigener Mitteilungen gibt den Konfliktparteien das Empfinden, aktiv zu sein und damit wirksam. Gleichzeitig steigt aber nach und nach das Gefühl von Ohnmacht, weil es doch offensichtlicher wird, dass es mit der Wirksamkeit nicht so weit her ist. Da Ohnmacht ein besonders schlecht toleriertes Gefühl bei Einzelnen wie in Gruppen oder größeren sozialen Systemen ist, dient die Wiederholung und Verschärfung des schon Gesagten der (untauglichen) Ohnmachtsabwehr. So legitimiert der Sende-Pol sich paradox selbst: Weil er unwirksam ist, steigert er die Wirksamkeitsversuche, die zu weiterer Unwirksamkeit führen und damit die Verstärkung der Sendeleistung nahelegen.