Konflikt als Prozess
Es macht einen Unterschied, ob man Konflikt als vorliegend (“Ding”) oder als geschehend (“Prozess”) ansieht. Wenn der Konflikt quasi vorhanden ist, dann definiert man ihn, z.B.: Konflikt ist Gegensatz von Interessen, oder Konflikt ist Mangel an überlebenswichtigen Ressourcen, o.a.m.! Konflikt als Prozess wird als zeitliches Geschehen verstanden, das sich entwickelt, ausformt und sich in seiner Form stabilisiert. Daraus folgt, dass ein Konflikt kontinuierlich Aktivitäten benötigt, um Bestand zu haben. Konfliktdynamik ist damit darauf angewiesen, dass immer mindestens zwei Parteien die Konfliktkommunikation dauerhaft weiter speisen. Einer allein kann weder kommunizieren noch einen Konflikt aufrechterhalten (außer beim innerpsychischen Konflikt).
Konflikte sind somit in ihrer Formbildung sehr unterschiedlich und im Konkreten schwer vorhersagbar – wenn man von ihrem Eskalations- und Verfestigungspotential (= ihrem Hang zur Fixation eines speziellen, quasi-normierten, über-wahrscheinlichen Pols) absieht. Monokausale Erklärungen erweisen sich als unterkomplex und nicht haltbar. Vielversprechender erscheint deshalb die systemtheoretische Annahme, dass Konflikte sich selbstverstärkende Selektionen im Kommunikationsprozess darstellen. Diese selbstverstärkenden Mechanismen lassen sich beschreiben (und antizipieren). Ebenso lassen sich Kommunikationformen ableiten, welche die Aufschaukelung zu einem hyperstabilen Konflikt erschweren, mildern oder aufhalten können. Auch die Verflüssigung von dysfunktional-verfestigten Konflikten gilt es, als Prozess zu verstehen und erforderliche Massnahmen zu identifizieren.