Kampf um den Anfang
„Du hast angefangen!“, „Nein, Du!“ Schon früh lernen Kinder, wie es geht, sich von Konfliktdynamiken verschlingen zu lassen. Dazu braucht es natürlich eine seelische Disposition, die jeder Mensch mitbringt: Er möchte ein geachteter Mensch sein und er möchte mit sich im Reinen sein. Diese beiden Wünsche werden im Konfliktfall – wechselseitiger Widerspruch zu dem, was der andere will oder sagt – in ihrer Erfüllbarkeit bedroht. Eigentlich kein wirkliches Problem, wenn man als Mensch gelernt hat, sich nicht von der Erfüllung seiner Wünsche abhängig zu machen und Widersprüche in seinem Selbstbild zu tolerieren gelernt hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hat der Konflikt leichtes Spiel.
Wird darum gekämpft, wer angefangen hat, ist der eigentliche Anlass für den Konflikt schon verloren gegangen. Schuldfragen ersetzen die Inhaltsunterschiede. Dieses einfache Kommunikationsschema hat den Vorteil, dass es intellektuell nicht sehr aufwändig ist, es zu bedienen. Warum der andere Schuld hat, dafür finden sich immer irgendwelche Gründe. Daher können diese Form des Konflikts eben auch schon sehr kleine Kinder bedienen. Zum anderen ist das psychische System sofort wieder mit sich im Reinen. Es braucht keine Selbstreflexion mehr. Die Gründe für die Situation liegen im Außen – nicht bei sich. Das ist ein hoher Gewinn.