Erwartungen und Konflikt
Wieso entsteht so leicht ein Sog in Richtung des Pols „Generalisierend“? Systeme – also auch Konfliktsysteme – müssen ihre Umwelt immer vereinfachen. Das spart Ressourcen. Eine wichtige Form in sozialen Kontexten Vereinfachungen vorzunehmen, sind Erwartungen an andere auszubilden. Man erwartet, dass der andere grüßt und wenn er das tut, ist die Welt in Ordnung. Man erwartet, dass der andere einen auch morgen noch liebt, dass auf der Strasse rechts vor links gilt und man pünktlich ist. Daher gehören Enttäuschungen unauslöschlich zum Leben. Jedenfalls so lange man Erwartungen hat.
Konflikte enttäuschen auf vielen Ebenen Erwartungen. Daher machen sie das Leben für Menschen kompliziert. „Was ist denn jetzt los?“ ist ja eine häufige Reaktion, wenn sich ein Konflikt entwickelt. Verwunderung macht sich breit. So richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Enttäuschung: „Er stimmt darin mit mir nicht überein!“. Wenn man auf die Einschätzung wechselt: „Er stimmt gar nicht mit mir überein!“, dann hat man wieder eine klare Orientierung gewonnen.
Man glaubt nicht mehr (so leicht), dass der andere recht haben könnte. Ist aber dieses Vertrauen verloren, ist der Sog zu einem generellen Zweifel leicht zu erklären. Vertrauen wird durch Mißtrauen in den anderen und (übersteigertes) Vertrauen in sich selbst ersetzt. Auf diese Weise ist es immer möglich, wieder eine einfache Antwort (=Orientierung) zu gewinnen: Der andere hat eher unrecht und deshalb ist ihm zu misstrauen. So generiert Konfliktkommunikation ihrerseits die Erwartung, dass der andere generell widerspricht. Diese Vereinfachung sollte man im Blick behalten.