Urteilskraft und Weisheit
Das Instrument, welches am besten klären kann, ob eine Regel Anwendung finden soll oder die Situation als Ausnahme bearbeitet werden muss, ist der Mensch. Doch dessen Regelanwendungs- oder Nichtanwendungskompetenz fällt nicht vom Himmel. Es gibt Bezeichnungen für die Fähigkeiten von Menschen, die das können: Weisheit, Urteilskraft, Augenmass, Besonnenheit, Entscheidungsfreude. Eigenschaften, die in früheren Kulturen vornehmlich Stammesälteste oder Richter auszeichneten (und die nicht all zu häufig vorkamen), sind im Umgang mit der Komplexität der jeweiligen Gegenwart in modernen Organisationen von vielen Entscheidungsträgern zu erwarten. Manager und Weisheit? Teams und Weisheit?
Folgt man Erkenntnissen über ungünstigen Umgang mit Regeln in akuten Situationen – siehe etwa D. Dörner in seinem Buch „Logik des Misslingens“ oder bei G. Ortmann in „Regel und Ausnahme“ – dann kommt man nicht umhin, diese Anforderung zu stellen. Je regelkonformer oder je hektischer und aktionistischer bzw. laxer der Umgang mit etablierten Regeln ist, desto wahrscheinlicher wird das Misslingen. Weisheit und Urteilskraft kann hier insbesondere verstanden werden als Unabhängigkeit vom Urteil anderer und Freiheit vom Zwang zum Erfolg, als Erfahrungswissen und Intuition, Stresstoleranz und Robustheit.