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Situationspotential

Der Begriff Situationspotential wurde von dem französischen Philosophen und China-Kenner F. Jullien im Kontext von Wirksamkeitstheorie geprägt und für Managementzwecke fruchtbar gemacht. Er bezeichnet einen in China verbreiteten Umgang mit Veränderung und Zukunft, der das Handeln nicht auf das Machen einer erwünschten Zukunft ausrichtet. Vielmehr wird die gegenwärtige Situation so beeinflusst, dass deren Potential die erwünschte Zukunft aus sich selbst heraus zu entfalten, wächst. Statt zu planen und den Plan umzusetzen, wird eine günstige Gelegenheit – mit Ruhe und Bedacht – entwickelt. Das Handeln ist eher ein Gärtnern, ein geduldiges Nähren guter Bedingungen für die eigenen Absichten.

Ein solches Vorgehen ist unauffällig. Es eignet sich nicht für Helden, für die Bühne, für Schlagzeilen, für Erfolgszuschreibungen, die aus Aktionen und markanten Aktivitäten Wirksamkeit ableiten. Eine Ausrichtung am Situationspotential vermeidet jedoch die Risiken von Mittel-Zweck-Kalkülen: Man macht nicht zum falschen Zeitpunkt das Richtige, man ist nicht so leicht in Gefahr, etwas übers Knie zu brechen, man überschätzt nicht so leicht die eigene Wirksamkeit, man muss sich weniger mit Widerstand herumschlagen. Die Prozesse reifen lassen, ist eine andere, oft besser geeignete Form die gefährliche Zukunft riskant zu bearbeiten.