Funktion des Pols „Vielfältig“
Soziale Ordnung kann erstarren. Konflikte können sich im Gegeneinander der Argumente im Kreis drehen. Beiden Phänomenen liegen Fixierungen auf eine einzige Beschreibung des Passenden, Richtigen, Wahren zugrunde. Die Situation ist monovalent (F. Glasl), also nur eines zählt! Das Viele ist allerdings immer vorhanden, nur ausgeschlossen oder noch unbekannt. Das Auftauchen von Variationen, von Mutationen ist das Grundgesetz der Evolution. Das gilt auch für soziale Systeme: sie variieren. Eines der Mittel um Anderes in die Kommunikation zu bringen, ist der Konflikt im Modus „Beschreibung“.
Vielfalt wird in sozialen Kontexten sehr unterschiedlich beurteilt. Nehmen wir die aktuelle Situation für oder gegen „Homeoffice“: Für die einen ist Arbeiten von Zuhause willkommene Freiheit und die Quelle von Inspiration und Innovation. Für die anderen ist sie Verlust der sozialen Kontakte und kreativer Zusammenarbeit in Meetings und in der Kantine. Ohne die Pandemie, wäre die Vielfalt kaum mit dieser Wucht in die Arbeitswelt eingedrungen. So muss nun gestritten und neu verhandelt werden, wie es jeweils gehandhabt werden soll.
Das Erzeugen von Alternativen führt zum Konflikt, wenn diese im Widerspruch stabilisiert werden, so dass eine Entscheidung getroffen werden muss. Werden die beiden Alternativen dauerhaft „einfältig“ von den jeweiligen Vertretern verteidigt, müssen eine oder beide Parteien ihre Positionen ganz oder teilweise räumen und dann zugunsten äußerer Einigung innere Vielfalt zulassen. Es kann und wird dann nämlich anders sein als gewünscht und gewollt. Dieser funktionale Wechsel verlangt den Beteiligten durchaus (enorme) innerseelische Flexibilität ab. Da diese nicht immer gegeben ist, muss es nicht wundern, dass der Konflikt andere, schärfere, eskalationstaugliche Modi braucht, um zu seinem Ende zu kommen.